Rückblick B2B Media Days 2021: "Connect"

Datenbanken, Softwareentwicklung, Social-Media-Plattformen: die Digitalisierung schreitet weiter voran und begründet immer neue Geschäftsmodelle – ebenso wie neue Kunden- und Zielgruppenbedürfnisse. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklungen zusätzlich beschleunigt, eine Einschätzung, die auch die meisten Fachmedienhäuser teilen.

Diese Themen spiegelten sich auch im Programm des ersten Kongresstages wider. Aus dem verlagseigenen Fernsehstudio begrüßte Dr. Klaus Krammer, Sprecher der Deutschen Fachpresse und Vorstand Krammer Verlag, die rund 360 Teilnehmenden zur Eröffnung der diesjährigen B2B Media Days, die erstmals in digitaler Form stattfanden. Sehr beeindruckt habe ihn die „überwältigende Branchensolidarität“ in den vergangenen Monaten, man habe sich gegenseitig unterstützt und auch emotional gestärkt. Das sei eine sehr positive Erfahrung, die viel Mut mache und zeige: „Gemeinsam sind wir stärker“.

Digitalität, Kooperation, Unverzichtbarkeit
Die erste Keynote von Christoph Keese, CEO bei Axel Springer hy, war eine kurzweilige, persönlich gehaltene Führung durch die boomende B2B-Medienwelt, mit spannenden Insights und der Anregung, dass auch B2B-Themen sexy sein können. Vor vielen Jahren habe Bloomberg sein Interesse an B2B-Medien geweckt, als er für sein Angebot einen neuen, radikal höheren Preispunkt kreierte. Neben Bloomberg stellte Keese weitere Beispiele mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen vor, unter anderen techgrunch.com, emarketer.com und Politico, ein Hybrid-Modell zwischen B2C und B2B. Er zählte drei Beobachtungen auf, die aus seiner Sicht auch für traditionelle B2B-Medien bedeutsam sein könnten: verstärkte Digitalisierung, hoher Entwicklungsaufwand und Begünstigung von (technologischen) Kooperationen sowie Schaffung unverzichtbarer Angebote und höhere Preissetzung.

Dass bei allen individuellen Unterschieden in den Märkten, Zielgruppen und Häusern die Digitalisierung bleibender und wichtiger Bestandteil ist, darüber sprachen auch Sönke Reimers, Sprecher der Geschäftsführung der dfv Mediengruppe, Philipp Neie, Geschäftsführer, bei Schweitzer Fachinformationen, Iris Bode, Geschäftsführerin bei Haufe-Lexware und Dr. Klaus Krammer, Vorstand beim Krammer Verlag. Den Talk zum Status quo des Fachmedienmarkts moderierte Fachpresse-Geschäftsführer Bernd Adam. Die Fachpresse sei besser durch das Corona-Jahr gekommen als befürchtet, die größten Rückgänge gab es bei Veranstaltungen/Events wurde übereinstimmend konstatiert. Deutlich wurde bei der Diskussion, die auch einen Blick in die Zukunft warf, zudem: New Work muss nun gestaltet, Führung über Entfernung hinweg organisiert und Fachmedienanbieter müssen als wesentlicher Teil der Gesellschaft sichtbarer und lauter werden, vor allem auch, wenn es um die Folgen ordnungspolitischer Entscheidungen geht.

Spannende Insights: zwei Best Cases im Umfeld der Digitalisierung
Wie Transformation und neue Geschäftsmodelle im Umfeld der Digitalisierung aussehen können, zeigten beispielhaft zwei Best Cases aus der Fachmedienbranche. Die Stationen digitaler Transformation in der Technischen Fachinformation von digitalen Dokumenten über Softwarelösungen bis hin zu Smart Standards und maschinensteuerbare Inhalte beschrieb Marion Winkenbach, Geschäftsführerin beim Beuth Verlag. Bei der Entwicklung hin zu Smart Standards befindet sich Beuth, so Winkenbach, aktuell auf den Stufen 2 (maschinenlesbares Dokument) und 3 (maschinenlesbare und ausführbare Inhalte) von 5 Stufen. Auf dem Weg zu maschinensteuerbaren Inhalten kooperiert Beuth international, etwa mit der Internationalen Organisation für Normung (ISO). „Das Fernziel sind KI-gestützte maschinensteuerbare Inhalte“, sagte Winkenbach.
Michael Schrader, Chief Operating Officer beim VNR Verlag für die Deutsche Wirtschaft, präsentierte in seinem anschließenden Vortrag mit der Platform X ein neues, datengetriebenes Geschäftsmodell. Schrader beschrieb die Reise der letzten zwei bis drei Jahre. Ausgangspunkt war die Frage, wie die Weiterentwicklung der Verlagsgruppe funktionieren könne. Ins Leben gerufen wurde die Verlagsplattform, um der Verlagsgruppe Rentrop bei der Erreichung ihrer strategischen Wachstumsziele zu helfen. Aufgebaut wurden drei Units: Daten & IT, Marketing & Sales und Fulfilment & Costumer Services. Die Zielvision dahinter, so Schrader, sei ganz bewusst groß gedacht worden: „Wir werden der größte Marktplatz für Information und Services“.

Geschäftsmodell Softwarelösungen
Der erste Tag der digitalen B2B Media Days endete mit dem Talk „Neue Wachstumschancen durch integrierte Softwarelösungen? Voraussetzungen, Erfolgsfaktoren, Risiken“, moderiert von Erhardt F. Heinold, Geschäftsführender Gesellschafter bei Heinold, Spiller & Partner Unternehmensberatung. Der Talk zeigte nochmals, wie groß die Veränderungen in Richtung digitale Produkte in der Fachmedienbranche bereits vorangeschritten sind. Jörg Schick, Geschäftsführer von Martin Mantz Compliance Solutions, Matthias Ulmer, Geschäftsführer bei Verlag Eugen Ulmer, und Halil Recber, Geschäftsführer von Spitta, gaben interessante Einblicke, wie sie das Geschäftsmodell Softwarelösungen handhaben und wie sie das klassische Kerngeschäft und das Innovationsgeschäft zusammenbringen. Ein Thema, das zunehmend mehr Fachverlage betrifft, denn immer mehr Unternehmen digitalisieren ihre Prozesse und setzen sie dadurch gleichsam in Zugzwang, innovative Produkte anzubieten. Wie sich in der Diskussion zeigte, benötigt dies individuelle Ansätze und nicht nur neue Produkte, sondern neue Geschäftsmodelle. Spittas größter Fokus sei das Praxismanagement, Software hierfür anzubieten ist laut Recber die logische Entwicklung gewesen. Bei Dumont Business Information (zu dem Martin Mantz Compliance Solutions als Unternehmen von Reguvis gehört) waren die Kunden die Treiber des Veränderungsprozesses. Diese digitalisieren ihre Prozesse, als Konsequenz müssten dann auch die Verlagsangebote digitalisiert werden. „Fachinfos in den digitalen Arbeitsablauf einzubringen, bietet den Log-in-Effekt“, hob Schick eine sich daraus ergebende Chance hervor. Im Verlag Eugen Ulmer wiederum geht es primär um die eigenen Produktionsprozesse, um selbst zu entwickeln, statt einzukaufen.

Purpose in den Fokus nehmen
Wichtig es ist nicht nur, zu wissen, wohin man als Unternehmen will, sondern auch, wofür man aus Kunden- und Mitarbeiter-Sicht da ist. Mit dem Thema Purpose – also der Sinnfrage, die auch bereits in der modernen Arbeitswelt angekommen ist – beschäftigte sich zu Beginn des zweiten Kongresstages Keynote-Sprecher Frank Dopheide, Founder von human unlimited, in seiner Keynote. Es gehe darum, einen Beitrag zu leisten, im Mittelpunkt stehe die Frage nach dem Wofür, was die Welt brauche und was man dazu beitragen könne (nicht die nach dem Warum). „Sie müssen all das, was Ihr Unternehmen ausmacht, verdichten und sagen, das ist es“, empfahl Dopheide den Zuhörenden. Konkret erzählte er von der Suche nach dem Purpose, vom Why zum Value, beim Handelsblatt.

Gemeinsam für eine freie Presse
Relevant für das unternehmerische Handeln sind medienpolitische Entscheidungen und Rahmenbedingungen. Ein Update zur Medienpolitik und zu den Entwicklungen bei den für Fachmedienanbieter relevanten Gesetzen gab Prof. Dr. Christoph Fiedler, Geschäftsführer Europa- und Medienpolitik beim VDZ Verband Deutscher Zeitschriftenverleger. Die Themen reichen vom Digital Markets und Digital Services Act über die E-Privacy-Verordnung bis hin zum Verkauf von Presse-Abonnements oder den Angriff auf die freie Presse durch staatliche Gesundheitsportale. „Freie Presse kann es nur geben, wenn redaktionelle Produkte marktwirtschaftlich funktionieren,“ betonte Fiedler. Sein abschließender Appell: „Es bleibt viel zu tun, gehen wir es hoffentlich gemeinsam an!“.

Verlagerung von off- zu online
Schlaglichter auf Trends in der B2B-Kommunikation warf eine von Dr. Torsten Casimir, Chefredakteur Börsenblatt (MVB), moderierte Talkrunde. Die Verschiebung von B2B-Marketing und -Kommunikation in den digitalen Raum, die Verlagerung auf mobile Endgeräte, Corporate Media und die Relevanz der Marke waren unter anderen die Themen von Dr. Andreas Bauer, CMO bei Planfox Business Development (Xitasco), Jörg Dambacher, Geschäftsführer & Gesellschafter von RTS Rieger Team, Stephan Hellwig, Head of Regional Sales bei Oped, und Dr. Gunther Schunk, Director Public Relations bei der Vogel Communications Group. Im Hinblick auf die Budgets wurde unter anderem darüber gesprochen, dass vor zwölf Jahren noch erst zehn Prozent in den Onlinebereich flossen, heute seien es um die 40 Prozent. „Der Trend ist eindeutig: Alles auf digitale Kanäle“, sagte Bauer. Nicht nur das Budget und die Wahl der Kanäle haben sich verändert, B2B-Unternehmen machten mittlerweile mehr eigene Kommunikation und seien auch in der Leadgenerierung aktiv. Außerdem gingen Kunden heute 80 Prozent des Vertriebswegs alleine, ergänzte Dambacher, was die B2B-Kommunikation ebenfalls beeinflusse.

Im darauffolgenden Vortrag von Anke Oxenfarth, Chefredaktion politische ökologie und Leiterin Stabsstelle Nachhaltigkeit beim oekom verlag, ging es mit Nachhaltigkeit um ein Thema, dass nicht mehr nur ein Trend ist, sondern in der Medienbranche immer relevanter wird. Oxenfarth erläuterte, wie Verlage ihre Ökobilanz bei der Herstellung von Büchern und Zeitschriften verbessern können. „Unserer Ansicht nach ist Nachhaltigkeit eine der großen Herausforderungen für die Verlagsbranche“, betonte Oxenfarth.

Fachjournalismus: Ein Traumberuf
Der zweite Talk des Tages war dem Fachjournalismus gewidmet. Unter der Leitung von Julia Oppelt, Director Corporate Communications und Head of Marconomy bei der Vogel Communications Group, diskutierten Tobias Freudenberg, Chefredakteur Neue Juristische Wochenschrift (Verlag C.H. Beck), Benedikt Hofmann Chefredakteur von MM MaschinenMarkt (Vogel Communications Group) und Eva-Maria Schmidt, Chefredakteurin von Horizont (dfv Mediengruppe) unter anderem über Anforderungen und Kernkompetenzen, Redaktionszuschnitte und die Vielfalt der Medienkanäle und nicht zuletzt über die Fähigkeit zu priorisieren. In der Diskussion wurde auch auf die Chefredakteursumfrage 2020 der Kommission Redaktion der Deutschen Fachpresse Bezug genommen. Die Runde bestätigte aus ihrer Erfahrung, dass sich die wesentlichsten Kompetenzen nicht verändert hätten. „Die Kernkompentenzen sind genauso wichtig wie früher. Es sind neue Anforderungen hinzugekommen,“ sagte Hoffmann. „Chefredakteure waren schon immer Produkt- und Projektmanager. Was sich geändert hat, sind abteilungsübergreifende Teams“, ergänzte Freudenberg aus seiner Sicht. Der Talk endete mit einem einstimmigen, klaren Bekenntnis: Fachjournalismus ist ein Traumberuf.

Parallel zu den Veranstaltungen auf der Main Stage der digitalen B2B Media Days 2021 fanden weitere Sessions mit Insights und inspirierenden Ideen zu folgenden Themen statt: „Aktuelle Entwicklungen im Printbereich bei der IVW“, „Kooperation statt Konkurrenz – Warum Kräftebündeln mehr heißt als Kostensparen und wie die Sinnfrage aus Gegnern Verbündete macht“, „Contentshift-Gewinner Sciflow – kollaborativ Texte bearbeiten“, „TikTok im B2B-Marketing – sinnvoll oder überflüssig?“ und „Die Evolution des Fachbuches: Drei Beobachtungen“.

Susanne Broos/Mareike Petermann