Rückblick B2B Media Days 2022: Entwicklungen und Innovationen der Branche im Blick

Nach zwei Jahren Pandemie fanden die B2B Media Days, der Jahreskongress der Fachmedienbranche, endlich wieder live in Berlin statt. Rund 250 Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern sowie leitende Mitarbeitende aus Fachmedienhäusern und angrenzenden B2B-Branchen trafen sich am 31. Mai im Palais in der Kulturbrauerei. Im Fokus: Die Bewegungen und Entwicklungen in der Fachmedienbrache, die, verstärkt durch die Corona-Pandemie, in den vergangenen Jahren ausgelöst wurden.

Holger Knapp, Sprecher der Deutsche Fachpresse und Geschäftsführer bei Sternefeld Medien, eröffnete den Kongress und betonte in seiner Rede die Bedeutung der Fachmedien als unentbehrlich für Wirtschaft und Wissenschaft. „Wie sähe die Wirtschaft und Gesellschaft aus, wenn es keine Fachmedien gäbe?“, fragte Knapp. Nicht nur er mochte sich die Antwort darauf gar nicht erst vorstellen. Denn, so Knapp: „Fachmedien erfüllen mit ihrer thematischen Bandbreite und ihren vertiefenden Inhalten das Informations- und Bildungsbedürfnis einer stark ausdifferenzierten Gesellschaft und Wirtschaft.“ Dies könne kein anderes Medium leisten. Er betonte, dass die Innovationsfähigkeit und Kraft der Branche trotz gewaltiger Herausforderungen wie Papierknappheit, explodierende Energiekosten, der diskriminierungsfreien Förderung der periodischen Presse und die unmittelbaren Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ungebrochen sei. Wachstumschampion in 2021 sei das Veranstaltungsgeschäft gewesen, was auch nötig gewesen sei, denn vor Corona sei dies ein wichtiges Wachstumsfeld für Fachverlage gewesen. Digital wachse weiter, läge mit Print in Bezug auf ihre Anteile am Gesamtumsatz mittlerweile nahezu gleichauf, KI sei eines der Zukunftsthemen. Damit war der Rahmen skizziert, der sich im Verlauf des Kongresstags weiter mit Inhalten füllte.

 

Fachmedien sind unverzichtbar

Philipp Welte, Sprecher des Vorstands im Medienverband der Freien Presse (MVFP), teilte in seiner Begrüßung mit den Zuhörenden seinen Blick auf die kritische Lage der freien Presse auch in Deutschland. Alle Dimensionen unserer wirtschaftlichen Stabilität seien bedroht, das Konsumklima in Deutschland sei auf einem historischen Tiefstand, die Menschen verunsichert, jeder dritte Pressetitel in seiner Existenz gefährdet. „Wir brauchen politische Rahmenbedingungen, die es uns ermöglichen, uns unternehmerisch zu behaupten“, forderte Welte. Die Bedeutung der Fachmedien sei in den vergangenen zwei Jahren überdeutlich geworden, sie leisteten einen einzigartigen, demokratisierenden Beitrag zur Stabilität der Gesellschaft. „Freiheit ist unverzichtbar, unsere Arbeit ist unersetzbar“, betonte Welte und forderte die anwesenden Medienschaffenden auf, weniger verzagt zu sein und sich immer wieder bewusst zu machen, welche Verantwortung „wir tragen für die Zukunft des Landes und unserer Kinder“.

Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger (FDP) richtete eine Videobotschaft an die Kongressteilnehmenden. Sie versicherte ihnen darin, dass sie insbesondere mit Blick auf Fake News und Desinformationskampagnen an ihrer Seite stehe. Qualitätsjournalismus würde hier mehr gebraucht denn je. „Und mehr denn je müssen wir darauf bestehen, dass die Fachpresse in Deutschland eine Zukunft hat, dass es einen vertrauenswürdigen Publikationsraum gibt, vitale Korrektive gegen Fake News und Co“, so die Bundesministerin Stark-Watzinger.

 

Selbstbestimmt denken und kreativ sein

Zur inhaltlichen Einstimmung warf die Autorin und Designstrategin Julia Peglow ihren ganz eigenen Blick auf die Digitalisierung. Sie appellierte an die Zuhörenden, der Digitalisierung und den digitalen Tools (wie etwa dem digitalen Kalender) mit einer anderen Haltung zu begegnen. „Wir reagieren zu viel, wir müssen zurückfinden zum selbstbestimmten, kritischen, kreativen Denken“, sagte Peglow. Nur so könne Kreativität entstehen.

Viel Kreativität war sicherlich gefragt, als es darum ging das neue Gebäude von Beuth und DIN zu konzipieren – ein Prozess, in den alle Beschäftigten mit eingebunden waren. Es habe eine lange Reflexionsphase gegeben über den Zusammenhang von Raum und Tun, so Marion Winkenbach, Geschäftsführerin Beuth Verlag. Man habe dem Multispace-Konzept Leitplanken gegeben, eine Vision sei erarbeitet worden, die ersten Schritte auf den „New Ways of Working“ gegangen. Wesentlich für das Gelingen eines solchen Vorhabens seien, so Dr. Tom Resler, Teamkoordinator DIN Spec beim DIN Deutsches Institut für Normung, unter anderem die Kommunikation und das Changemanagement.

 

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New Work ganzheitlich betrachten

Die Art und Weise, wie in Fachmedienhäusern gearbeitet wird, hat sich nicht nur beim Beuth Verlag verändert. Dies belegte anschaulich eine von Dr. Torsten Casimir, Chefredakteur beim Börsenblatt (MVB), moderierte Talkrunde zum Status quo der Fachmedien. Malte Schwerdtfeger, Geschäftsführer Landwirtschaftsverlag, plädierte dafür, New Work als ganzheitliche Lösung zu verstehen und „da gehört Büro rein“. Zumal „alles, was kreativ stattfinden soll, im Homeoffice digital nur schwer umsetzbar ist“, wie Stephanie Walter, Geschäftsführerin Wolters Kluwer Deutschland, ergänzte. Sie ist der Überzeugung, dass die gesamtgesellschaftliche Situation in Unternehmen anders abgebildet werden muss – auch um beim Recruiting punkten zu können. Es gehe um mehr Diversität, eine Führungsfunktion müsse auch in Teilzeit funktionieren.

Matthias Bauer, Geschäftsführer Vogel Communications Group, verwies darauf, dass es die Aufgabe des Managements sei, den Rahmen zu schaffen und unternehmenskulturbildend zu sein. Gerade auch in Hinblick auf die Bindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an das Unternehmen in Zeiten des remote Arbeitens. Deutlich wurde in dieser Diskussionsrunde die Bandbreite des Themas, bei dem die Unternehmen trotz vieler Veränderungen noch am Anfang stehen. Es sei noch nicht der Zeitpunkt, so Knapp, etwas festzuschreiben. Es geht zudem nicht nur darum, die Arbeitsformen zu verändern, sondern auch darum, den Beschäftigten Sicherheit und Stabilität zu geben, gerade angesichts der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Verwerfungen. „Ich kann mit Kommunikation Sicherheit oder Unsicherheit auslösen“, warnte Bauer diesbezüglich. Oft gebe es noch Nachholbedarf bei Führungskräften, was die Kommunikationskompetenz anbelange. Und, nicht überraschend: Es gibt kein Zurück zum Status quo ante.

 

Technologieverständnis ist unabdingbar

Die Pandemie ist zwar noch nicht vorbei, trotzdem sagte Schwerdtfeger schon jetzt: „Die Herausforderungen nach Corona sind größer als die während Corona“. Die Produktportfolios von Fachmedienhäusern werden sich weiter ausdifferenzieren, die Digitalisierung anhalten. Beim Landwirtschaftsverlag geht es nun unter anderem darum, die feste Verankerung in der DNA des ländlichen Raums zu nutzen und die Wertschöpfung bei jedem einzelnen Landwirt über digitale Lösungen wie Managementtools zu erweitern. Wolters Kluwer Deutschland setzt ebenfalls darauf, den eigenen Content und den Workflow des Kunden zusammenzubringen. Für Walter ist es wichtig, von Content zu sprechen – und nicht von Print und digital. „Es ist ein andauernder Prozess, den klassischen Content wertzuschätzen und weiterzuentwickeln“, so Walter. Paid Content ist ein weiteres Zukunftsthema für Fachmedien. „Da kommen wir nicht drum herum“, sagte Knapp. Ob Corporate Publishing oder umfassende Kommunikationslösungen wie bei der VCG: Auch bei den Produktportfolios ist kreatives Denken gefragt. Hinzukommt als weitere Anforderung, dass Fachmedienanbieter „heute Technik verstehen müssen“, wie Schwerdtfeger es formulierte.

 

Zielgruppenkenntnis ein Asset in vielen Bereichen

„Ich muss mich heute mit Technologie auseinandersetzen, ein Grundverständnis davon haben“, betonte auch Jan Pilhar, Executive Director IBM iX, der per Video zugeschaltet war. B2B-Marketing sei heute ein Tech-Job und die Orchestrierung einer ganzheitlichen Buying Experience. Dabei gäben (die Einkaufserlebnisse im) B2C das Tempo für B2B vor. Es sei notwendig, die Reise jedes Kunden zu verstehen und zu begleiten, mit Infos und Tools. Zielgruppenspezifische Services aufzubauen könne, gerade für Mittelständler, ein Weg sein, um sich gegen große Einkaufsplattformen wie Alibaba oder Amazon Business zu behaupten. Um die B2B-Kunden durch smarte Services im eigenen Ökosystem zu halten und zu binden, ist die umfassende Kenntnis der Zielgruppen auch hier ein Asset.

 

Arbeitsverdichtung und Kollaborationen in Fachredaktionen

Schlaglichter auf den Fachjournalismus heute warf eine Diskussionsrunde mit Tobias Freudenberg, Chefredakteur Neue Juristische Wochenschrift (NJW) (Verlag C.H. Beck), Wolfgang Kräußlich, Chefredakteur SPS-Magazin (TeDo Verlag), Marco Weiß Chefredakteur Tophotel & Hotel+Technik (Freizeit Verlag) und Stephan Westermann Gesamtleitung BauNetz (Heinze). Einig waren sich die Diskutanten, dass es eine Arbeitsverdichtung in den Redaktionen gebe und sich das Jobprofil ändere. „Die Herausforderungen werden mehr“, so Westermann. „Es kommt immer mehr dazu“, bestätigte Kräußlich, was man als Redakteur und Journalist „mitmache“. Aber, warnte er: „Beim Mitmachen besteht die Gefahr, dass es nur mittelgut wird“. Was sich nicht verändert hat, ist das Anforderungsprofil an Fachredakteur:innen. Dies sei, so Freudenberg, über die Jahre gleichgeblieben. Journalistisches Handwerkszeug und Zielgruppenkenntnis stünden noch immer ganz oben.

Ebenfalls einig waren sich die vier Chefredakteure in ihrer Einschätzung, dass die Grenzen zwischen Verlagsabteilungen verschwimmen. So nehme etwa die Kollaboration mit Media Sales zu, was natürlich Fragen bezüglich journalistischer Unabhängigkeit aufwerfe und mitunter Entscheidungen in einer Grauzone erfordere. Unabhängigkeit sei ein wichtiges Gut, so Freudenberg. „Wir sollten selbstkritisch und offen damit umgehen“. Weiß sah die Unabhängigkeit durch Kollaboration nicht gefährdet, sondern vielmehr Potenziale. „Man kann aneinander wachsen“, sagte er. Nicht nur in den Unternehmen selbst, sondern auch in den Fachredaktionen seien bedingt durch die Auswirkungen der Pandemie viele Entwicklungsschritte viel schneller gemacht worden.

 

Medienpolitik: Dauerthemen und nicht viel Bewegung

Nicht fehlen durfte im Programm das Update zur Medienpolitik von Prof. Dr. Christoph Fiedler, Geschäftsführer Europa- und Medienpolitik beim MVFP. Es ging um die Einwilligung zur Datenverarbeitung - „ein Thema, das uns weiterbeschäftigen wird“ -, den diskriminierungsfreien Zugang zu den Torwächterplattformen und die Presseförderung. Bei letzterer sollten die angestrebten Maßnahmen aller periodischen Presse zugutekommen. „Am besten wäre es, wenn alle Verbände sich für eine nachhaltige Lösung stark machen“, sagte Fiedler.

Die B2B Media Days endeten mit der B2B-Media-Night und der traditionellen Verleihung der Awards „Fachmedium des Jahres“ und „Fachjournalist:in des Jahres“, bei dem erstmals auf allen drei Plätzen eine Journalistin ausgezeichnet wurde. Die Fachmedienbranche bleibt in Bewegung.

Susanne Broos

 

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