Gemeinsam mehr erreichen: Information, Inspiration und Interaktion bei den B2B Media Days 2023

Rund 300 Geschäftsführer:innen sowie Mitarbeitende aus Fachmedienhäusern und Partnerbranchen fanden sich am 23. Mai im Palais der Kulturbrauerei Berlin ein, um an den B2B Media Days 2023, dem Kongress der Deutschen Fachpresse, teilzunehmen. Die Location bot nach 2022 bereits zum zweiten Mal die perfekte Kulisse für Information, Inspiration und Austausch. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erlebten einen gelungenen Mix aus bewährten und neuen Elementen.

»Wir haben den Kongress diesmal etwas interaktiver gestaltet und versucht, Sie zu animieren, sich untereinander zu vernetzen und in verschiedene Themenangebote und Sessions einzutauchen – und ich denke, das ist gut angeschlagen.« Mit diesem Eindruck von dem intensiven Kongresstag, den Bernd Adam, Geschäftsführer der Deutschen Fachpresse, am Abend im Rahmen der Awardverleihung schilderte, dürften die Teilnehmer:innen der B2B Media Days 2023 sich mehrheitlich einverstanden zeigen. Dass die Möglichkeiten zu Interaktion und Vernetzung bei der diesjährigen Veranstaltung derart gut angenommen wurden, mag einerseits an den eigens dafür geschaffenen Formaten gelegen haben. Aber auch die Themen und Herausforderungen, denen sich die deutschen Fachmedienhäuser derzeit gegenüber sehen, leisteten ganz offensichtlich ihren Beitrag dazu, dass man sich wieder mehr auf das Gemeinsame besinnt und den intensiven Dialog mit Kolleginnen und Kollegen sucht.

»Der neue Elefant im Raum ist die künstliche Intelligenz.« Holger Knapp, Sprecher der Deutschen Fachpresse und Geschäftsführer bei Sternefeld Medien, brachte eines der zentralen Themen, das die Branche aktuell umtreibt, in seiner Kongresseröffnung gleich auf den Punkt. Mit Blick auf die kürzlich veröffentlichte Fachpresse-Statistik 2022, die den erfolgreichen Transformationsprozess der Fachmedienhäuser belegt, erinnerte Knapp die Anwesenden zugleich an eine Kernkompetenz der B2B-Medien: »Insgesamt sind wir eine resiliente und höchst anpassungsfähige Branche.« Und bezogen auf das vieldiskutierte Thema KI forderte er seine Kolleg:innen auf: »Wir sollten angstfrei sein und die Vorteile für uns nutzen.« Seinen persönlichen Fokus beim Kongress hatte er auf die Themenangebote zu KI und Kooperationen gelegt. Viele taten es ihm gleich.

Fachmedienhäuser behaupten sich – trotz schwieriger ökonomischer Bedingungen

Doch bevor sich die Anwesenden aufmachten, um in jeweils drei parallel laufenden Sessions ihren Horizont zu erweitern, erläuterte Philipp Welte, Vorstandvorsitzender des MVFP und Vorstand bei Hubert Burda Media, in seiner Begrüßung seine Sicht auf die Situation der Branche. Die Verlagsbranche sei »klein, aber unfassbar wichtig für die Gesellschaft und die Kultur«. Auf die Bedeutung der Fachverlage und die Wichtigkeit der inhaltlichen Qualität ihrer Produkte hatte zuvor bereits auch Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, hingewiesen. Wie Kraus vom Cleff verwies auch Welte in seiner Rede auf die alarmierenden Ergebnisse der aktuellen IGLU-Studie zur Lesefähigkeit der Viertklässler in Deutschland. Aber dies sei nur einer der Gründe für seine Sorgen beim Blick auf unser Land. Hinzukämen ökonomische Faktoren wie die steigenden Verbraucherpreise und das traurige Konsumklima. Auch der »Dogmatismus der Regierenden« belaste die deutsche Wirtschaft stark. Bei der »weltweit einzigartigen Vielfalt der Medien in Deutschland« spielten Fachmedien laut Welte eine besondere Rolle, denn sie stellten das »Bindeglied zwischen Forschung, Wissenschaft und den Märkten« dar. »Die neutralen Informationen der Fachmedien«, so Welte weiter, »sind essenziell für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland.« Zugleich betonte er die Selbstheilungskräfte der Branche und die besondere Stärke, mit der Fachmedienhäuser sich den Bedrohungen des Marktes nun schon seit drei Jahrzehnten entgegensetzten. »Die Fachpresse ist deutlich weiter in der digitalen Transformation als andere Medien«, so sein Fazit.

Die Kunst des Miteinander-Redens

Um trotz der massiven Umwälzungsprozesse weiterhin Wachstum zu ermöglichen, setzen etliche Fachmedienhäuser auf Kooperation. Dies wiederum setzt voraus, dass Gemeinsamkeiten erkannt werden. Welche zentrale Rolle hierbei das Miteinander-Reden ausmacht, verdeutlichte der Medienwissenschaftler Prof. Dr. Bernhard Pörksen in seiner Keynote eindrücklich. Gerade »in Zeiten der multiplen Krisenverdichtung«, so Pörksen, lasse sich nur im Miteinander-Reden »ein gemeinsamer Fokus«, »ein gemeinsamer Realitätskonsens« sowie ein »gemeinsamer Wertekonsens« ausbilden. Er stellte seine Überlegungen zu fünf Prinzipien vor, die es ermöglichen, das MiteinanderReden sowohl im Privaten wie auch im Beruflichen zu verbessern. Dazu zähle unter anderem das Prinzip der Perspektivenverschränkung, das aus der Festlegung der eigenen Ziele, dem Verstehen der Weltsicht des anderen und dem Entwurf einer Kommunikationsbrücke bestehe. Im Zusammenhang mit der Frage, ob man bereit sei, in einen Dialog zu treten, verwies er zudem auf die wichtige Unterscheidung zwischen Verstehen, Verständnis und Einverständnis.

Eintauchen in Start-ups und Behavioral Pricing

Pörksen hinterließ ein sichtlich beeindrucktes Publikum, welches gleich im Anschluss durch den Vortrag von Andy Burt, Content-Chef von Industry Dive, tief in die Lebenswirklichkeit eines US-Businessportals eintauchen konnte. Industry Dive habe es innerhalb von zehn Jahren geschafft, sich von einem Start-up zum führenden Unternehmen im amerikanischen B2B-Journalismus zu entwickeln. Heute versorgten 33 digitale Publikationen mehr als 14 Millionen Führungskräfte aus 30 verschiedenen Arbeitsfeldern mit Informationen. In 2022 sei das Unternehmen schließlich von Informa für den beeindruckenden Kaufpreis von knapp 390 Millionen US-Dollar übernommen worden (siehe auch Seite 16). Welche elementare Rolle der Preis als Instrument bei Fachmedienangeboten spielt, verdeutlichte Prof. Dr. Florian Bauer, Vorstand der Vocatus AG, mit seinen Ausführungen zum Behavioral Pricing im Kesselhaus. Er sieht das Pricing generell »als den größten Hebel« und die »wichtigste Managementaufgabe« in einem Unternehmen an und ermunterte die Zuhörenden nicht nur täglich für das Produkt, sondern auch im Pricing die »Extra Mile« zu gehen. Dazu zähle unter anderem, dass man als Anbieter nicht auf Zahlungsbereitschaft hoffe, sondern daran arbeite, den »Preismuskel« der Leser:innen aktiv zu trainieren. Außerdem appellierte er an die Branche, Licht in die »Black Box des persönlichen Vertriebs« zu bringen, um systematisch unnötige Rabatte zu vermeiden. Parallel gab im Maschinenhaus Lennart Schneider, Strategieberater für Abo-Marketing, Newsletter & Communitybuilding Antworten auf die Frage: »Wie können B2B-Medien starke Communitys aufbauen?« Mit vielen anschaulichen Beispielen zeigte er, welche Bedürfnisse die Mitglieder einer Community haben und wie B2B-Medien diese befriedigen können (siehe auch Seite 26). Wer mehr erfahren wollte, konnte sich in den Kongresspausen beim Format »Meet the Speaker« auch persönlich mit Andy Burt, Florian Bauer und anderen Vortragenden austauschen – ein Angebot, das von vielen begeistert in Anspruch genommen wurde.

Transformation Journey als interaktives Kongressformat

Nach der Mittagspause war im Kesselhaus erneut Interaktion angesagt: Bei der »Transformation Journey« bot sich den Teilnehmenden die Gelegenheit, in sechs halbstündigen, moderierten Gesprächsrunden ihre Konzepte und Erfahrungen mit der digitalen Transformation zu schildern und Ideen zu sammeln. Wichtige Fragestellungen rund um Geschäftsmodelle, Kundenbeziehungen, Technologien, Personalgewinnung, Führung sowie Purpose & Identity wurden dabei intensiv diskutiert. Das neue Format im World-Café-Modell, das gemeinsam mit Ehrhardt F. Heinold von Heinold, Spiller & Partner entwickelt worden war, kam sichtlich gut an. Der zum Kongressbeginn von Knapp geäußerte Wunsch, »mindestens einen guten Gedanken mitzunehmen«, dürfte spätestens hier Wirklichkeit geworden sein.

Erfahrungsberichte aus den Unternehmen

Bei aller Interaktion kamen aber auch die Erfahrungsberichte aus Fachmedienhäusern nicht zu kurz. So hat zum Beispiel der Beuth Verlag erkannt, dass eine gute User Experience ein entscheidender Faktor für den Erfolg digitaler Produkte ist. Deswegen wurde bei Beuth ein UX/UI-Team gebildet, das von Anfang an die Entwicklung neuer Onlinelösungen begleitet. In seinem Vortrag beschrieb Stephan Brüsehaber, Leiter Digital Commerce bei Beuth, wie dieses Team arbeitet und dafür sorgt, dass am Ende ein Produkt herauskommt, das anwenderfreundlich und intuitiv zu bedienen ist. »Wenn man UX nicht von Anfang an richtig plant, muss man zehnmal neu anfangen«, lautete eine zentrale Erkenntnis, die Brüsehaber mit dem Publikum teilte. Das wichtige Thema Nachhaltigkeit wurde gleich in zwei Sessions behandelt: Carsten Schlumm, Leitung Mediendienstleistungen & Produktion beim NWB Verlag, berichtete über Nachhaltigkeit in der Medienproduktion. Mit der Frage, ob und wie sich nachhaltiges Wachstum realisieren lässt, befassten sich wiederum Olaf Deconinck, Senior Manager und Nachhaltigkeitsmanager, und Markus Wilhelm, geschäftsführender Gesellschafter von publisher consultants. Der VNR Verlag für die Deutsche Wirtschaft hat mit seiner »platform X« ein Angebot entwickelt, das Medienhäuser in vielfältiger Weise unterstützen kann. Michael Schrader, Geschäftsführer, und Alexander Oettgen, Head of Digital Projects & Marketing Consulting platform X, zeigten in ihrer Session anhand von drei hauseigenen Use Cases auf, warum sich Fachverlage immer stärker zu Techunternehmen entwickeln. Schrader warf dabei auch die interessante Frage auf, ob die Bezeichnung »Verlag« in diesem Kontext überhaupt noch angebracht sei. Seine Erfahrung aus den letzten fünf Jahren bei VNR fasste er wie folgt zusammen: »Alle großen Veränderungen, die unser Unternehmen nachhaltig weitergebracht haben, hatten mit IT und Data zu tun.«

Gemeinsam mehr erreichen

Dafür, dass Fachmedienhäuser sich zusammentun sollten, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen und Chancen zu nutzen, plädierten auch Mark Liedtke, Geschäftsführer NWB Gruppe, und Thomas Halaczkiewicz, Geschäftsleiter NWB Central. Ihr Appell an die Zuhörenden: »Um als Branche weiterhin relevant zu sein und voranzukommen, müssen wir Barrieren gemeinsam überwinden.« Um »Helden und Mentoren« ging es im Vortrag von Dr. Arno Langbehn, Geschäftsführer beim Behr’s Verlag. In seinem »Ideen-Feuerwerk« zeigte er mit vielen Praxisbeispielen, dass Videos nicht nur Spaß machen, sondern auch eine Fülle an potenziellen Touchpoints bieten können. Welche das sind, was gut funktioniert und wie es gelingt, die Nutzer:innen aus SocialMedia-Kanälen auf die eigene Website zu ziehen, erläuterte er in seinem kurzweiligen Vortrag.

KI: Das Topthema der B2B Media Days 2023

In fast allen Sessions war der »Elefant im Raum« zugegen, selbst in den Pausengesprächen war KI immer und überall Thema. Dementsprechend großen Zulauf fand der Vortrag von Silke Hahn, Technik-Redakteurin bei Heise Medien. Sie warf in ihrem Vortrag einen nüchternen und unideologischen Blick auf die vieldiskutierte ChatGPT. Ihr Fazit: Die Text-KI könne manches richtig gut, aber vieles auch nicht, und wer sich blind auf die KI verlasse, werde Schiffbruch erleiden. Nach so viel Information, Input und Interaktion bot die traditionelle Verleihung der Awards »Fachjournalist:in des Jahres« und »Fachmedium des Jahres« einen Moment zum Durchatmen. Auf der anschließenden B2B Media Night wurde das diesjährige Kongressmotto »Gemeinsam Wachstum gestalten« erneut gelebt: Das intensive Netzwerken und das Ausloten von Kooperationsansätzen setzte sich bis in den späten Abend hinein fort.

Ina Jungbluth